Traumatherapie / Somatic Experiencing

Ausführliche Beschreibung

Ein Trauma kann durch jedes Ereignis entstehen, das unsere Fähigkeiten übersteigt, wirkungsvoll zu reagieren. Unsere Reaktionsfähigkeit ist überfordert, wenn etwas zu schnell passiert, wenn das, was uns entgegentritt, stärker ist als wir, oder wenn es einfach zu viel auf einmal ist. Für fast alle von uns sind Krieg, schwerer Missbrauch, Gewalt und Naturkatastrophen traumatisierend. Aber auch alltäglichere Ereignisse, wie z.B. Stürze, invasive medizinische Eingriffe oder Verlassen werden können unter bestimmten Umständen traumatisierend wirken. Die Entstehung von Trauma bzw. posttraumatischen Belastungszuständen ist abhängig von eigenen Ressourcen, Lebensumständen und Alter, aber auch davon, ob und welche Form von Unterstützung wir nach der überwältigenden Erfahrung bekommen.

 

Wie entsteht ein Trauma?

 

„Traumasymptome entstehen nicht durch das traumatische Erlebnis, sondern durch erstarrte Energie, die nach dem Abklingen des traumatischen Erlebnisses nicht aufgelöst worden ist.“ Peter Levine 

 

Geraten wir in eine Gefahr, reagieren wir instinktiv aus den ältesten und tiefsten Strukturen unseres Gehirns, die wir mit allen Säugetieren gemein ha­ben: dem sogenannten Reptiliengehirn oder Hirnstamm. Wir orientieren uns und suchen die Gefahr einzuschätzen. Erleben wir die Situation als bedrohlich, aktiviert der Hirnstamm alle Energie für die Überlebensreflexe Flucht oder Kampf. Haben wir die Situation erfolgreich bestanden, findet unser Organismus in der Regel auf natürliche Weise wieder sein Gleichgewicht. 

 

Ist das Ereignis aber so überwältigend, dass wir nicht kämpfen oder fliehen können, greift der Totstellreflex. Gibt es kein Entrinnen mehr, erstarren wir genau wie die Tiere. Nach außen hin wirkt unser Körper inaktiv, innen jedoch ist er voll aufgeladen.

Peter Levine, der Begründer von Somatic Experiencing©, hat sich gefragt, warum Tiere in freier Wildbahn, die täglich mehrmals lebensbedrohlichen Angriffen ausgesetzt sind, keine Traumsymptome zeigen. Er beobachtete, dass Wildtiere, wenn sie den Angriff überleben, die aktivierte Restenergie durch Zucken, Beben oder Zittern entladen und so regenerieren können. Die Entladung wird von denselben Hirnregionen gesteuert, die die Energie aktiviert haben.

 

Auch wir Menschen verfügen über diesen Mechanismus. Wir verfügen jedoch auch über wesentlich höher entwickelte Gehirnanteile. Unser rationales Denken verhindert zumeist die notwendige unwillkürliche Entladung, die auf einer subtileren instinktiven Ebene stattfindet als die Abwehrreaktionen auf Gefahr. Eine solche Menge an autonomer unkontrollierter Energie macht uns in der Regel Angst und wir entwickeln die „Angst vor der Angst“. Die immensen Kräfte, die für unser Überleben aktiviert worden sind, verbleiben im Körper, und aufgrund des hohen Energieniveaus gehen unsere niederen Gehirnanteile davon aus, dass die Gefahr noch weiterhin besteht. So entstehen gemäß Somatic Experiencing© die vielfältigen Symptome, die bei Posttraumatischen Belastungsstörungen zu beobachten sind, wie z.B. Übererregbarkeit, Angst, Panik, tiefgreifende Gefühle von Entfremdung, Probleme mit Kontakt und Nähe, chronische Schmerzen, permanente Erschöpfung, u.v.m.. Der Körper verliert seine Fähigkeit zur Selbstregulation, die Zyklen von Aktivität und Ruhe, von Anspannung und Entspannung funktionieren nicht mehr bzw. nicht mehr ausreichend. Unser Hauptanliegen in der Arbeit ist es, dem Nervensystem wieder zu seiner natürlichen Regulationsfähigkeit zu verhelfen. Das bedeutet, dass wir dem Körper helfen müssen, die gebundene, sozusagen eingefrorene Energie sicher zu entladen. 

 

Wie arbeitet Somatic Experiencing

 

„Die Wurzeln des Traumas liegen im instinktiven Teil unserer Existenz, der stark an den Körper gebunden ist. Deshalb finden wir den Schlüssel zur Traumaheilung sowohl in unserem Körper als auch in unserem Geist. Die Heilung eines Traumas ist ein natürlicher Prozess, der durch inneres Gewahrsein des Körpers initiiert werden kann.“ Peter Levine

 

Traumatisierung geschieht auf Körperebene, auf der Ebene des Hirnstamms, und auf dieser Ebene geschieht auch der größte Teil der Heilung. Somatic Experiencing© nutzt die Fähigkeit des Menschen, Körperempfindungen nachzuspüren, um Zugang zu diesem Teil des Gehirns zu bekommen. Hierbei liegt der Focus auf Empfindungen, die auf Entspannung, bzw. Anspannung des Nervensystems hinweisen. Dazu gehört durchaus auch das Nachspüren von Emotionen, Gedanken, Bildern oder Verhaltensweisen, die mit dem Ereignis zu tun haben. Jedoch wird all das, dem wir nachspüren, durch die Erfahrung der körperlichen Empfindung gebracht.

Manchmal erfahren wir jedoch schon bei jeder Kontaktaufnahme mit körperlichen Empfindungen eine Überflutung von Angst, was wir in Somatic Experiencing möglichst zu vermeiden suchen, da jede zusätzliche Erfahrung von Hilflosigkeit die Traumasymptome tiefer verankert. Deshalb geht der Therapeut/in mit dem Patienten noch nicht einmal an den Rand der traumatischen Erfahrung, ohne sich zu vergewissern, dass der Patient Zugriff auf innere Plätze hat, an denen sich sein Nervensystem wieder beruhigen kann, sogenannte Ressourcen. 

 

„Eine Ressource ist jede positive Erfahrung, jede Person, jeder Ort, jede Handlung und jede persönliche Fähigkeit, die auf Ihren Körper beruhigend wirkt.“ Drs. Heller

 

Hierbei werden die Ressourcen nicht von außen gesetzt, sondern mit dem Patienten gemeinsam gefunden, so dass sie seiner eigenen Erfahrung und seinem Wesen entsprechen. Das Pendeln zwischen der Erfahrung der Beruhigung und der Erfahrung von Aktivierung schafft einen sicheren Rahmen, in der die eingefrorene Energie beginnen kann aufzutauen und das System zu verlassen. Wichtig ist, dass dieser Prozess langsam und kleinschrittig ist. Zum einen um jede Erfahrung von wiederholtem Kontrollverlust zu vermeiden, vor allen Dingen aber, damit die Veränderungen in der Funktionsweise des Nervensystems auch wirklich integriert werden können.

Letztlich gibt uns jede Heilung von oder Arbeit an erlebter Traumatisierung die Möglichkeit, mehr von unserem Potential zu leben. Jeder/e von uns antwortet anders auf erfahrenen Schrecken, und in dieser Antwort ist oft die ganze Lebensgeschichte zu erkennen. Wir müssen uns in der Heilungsarbeit oft mit Themen und tiefen Mustern auseinandersetzen, die durch die Traumatisierung aktiviert wurden und die unser Leben vielleicht schon lange eng gehalten haben. Darin kann immer auch eine große Chance liegen. 


 

Stillpoint – Praxis für Psychotherapie (HPG)

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